Über den Wolken
Von Brigitte Bedei
Griffelkunst Einzelblätter
Wolken sind ein Naturphänomen. Sie unterliegen dauernder Veränderung, haben keine feste Form und kennen keine Grenzen. Das macht sie zu einem Symbol für Veränderung und Freiheit und zum Gegensatz zu allem Irdischen. Durch ihre Gestaltlosigkeit liegen sie im Grenzbereich des Darstellbaren und sind gerade dadurch auch in der Malerei von Bedeutung und werden zum eigenständigen Motiv. Wolkenformationen sind ein häufiges Sujet im Werk von Miwa Ogasawara. Sie zeigt jedoch nicht den gewohnten Blick in den Himmel, sondern schaut perspektivisch von oben herab auf Himmel, Wolken und Erde, ganz so, als wäre sie selbst ein Teil davon. In ihren Werken befasst sich die Künstlerin mit Bewusstseins- und Erfahrungsgrenzen des Menschen. Sie findet Bilder für die Schönheit und Zerbrechlichkeit unseres Daseins und greift dafür auf wiederkehrende Sujets zurück. Neben Landschaften sind es vor allem Innenräume und Situationen des Übergangs zwischen Innen und Außen, aber auch von einem Medium in ein anderes, die sie interessieren. Dafür stehen für sie etwa Fenster und Vorhänge, die einen Übergang markieren und dabei selbst transparent und beweglich sind. Sie sind zart und durchlässig und bieten doch Schutz. So wie kleine Veränderungen und Bewegungen von Luft und Licht eine Veränderung im Innenraum bewirken, so verhält es sich auch auf seelischer Ebene. Ihre Werke zeigen so immer auch die Fragilität der menschlichen Existenz. Wind und Luft als Metaphern des Immateriellen verhandelt sie dabei ebenso, wie Licht und Schatten als Grundbedingung des Sehens und der Wahrnehmung. Ihre Malerei lebt von der Überlagerung verschiedener Farbschichten und Lasuren, die sich zu fein nuancierten Farbverläufen zusammensetzen. Ihre Farbpalette ist reduziert, es überwiegen Grau- und Blautöne, denen sie Spuren anderer Farben beimischt. Durch die Wiederholung und Variation einzelner Motive macht sie die Veränderlichkeit von Formen und Licht, Atmosphäre und Stimmungen sichtbar, die auch das Thema der beiden Einzelblätter für die griffelkunst sind. Sie gehen zurück auf aktuelle Gemäldezyklen der Malerin, die sie in die Lithographie übersetzt hat.
Bereits 2019 haben wir eine Serie von sechs Lithographien der Künstlerin vorgestellt, sodass die Übersetzung ihrer Malerei in die Druckgraphik kein Neuland mehr für sie war. Für das Motiv Wolken setzt sie malerisch das schwebende Wolkenmeer vor milchig blauem Himmel auf drei Lithosteine und führt sie im Druck zu einer Form zusammen. Dabei arbeitet sie mit den Eigenschaften des Steindruckes. Auf der Steinoberfläche zieht die aufgetragene Litho-Tusche nicht sofort ein. Die flüssige Farbe bildet zunächst eine Masse und hinterlässt nach der Trocknung eine zufällige Struktur, die erst im Druck sichtbar wird. Die fluide Form der Wolke wird so sinnfällig. In dem Blatt Fenster fällt Licht durch einen Vorhang in das Innere eines Raumes und hinterlässt auf dem Boden ein Spiel aus horizontalen und vertikalen Streifen. Auch hier arbeitet Miwa Ogasawara mit den Eigenheiten der Lithographie und ersetzt die sich überlagernden Lasuren ihrer Malerei durch den einfachen Duktus der Pinselstriche, durch die sie im Druck die Papierfarbe scheinen lässt. Wie in ihren Tuschezeichnungen reduziert die Künstlerin ihre Motive auf das Wesentliche. Der Vorhang wird hier nur angedeutet, Licht, Schatten und Spiegelung erheben sich sanft vor tiefblauem Grund. Zwar setzt Ogasawara ihre Motive malerisch um, akzeptiert dabei aber den Unterschied zwischen den Medien Malerei und Druckgraphik. So werden die Darstellungen von Wolken und Fenster in Abstraktion und Auflösung getrieben. Verbindendes Element der beiden Graphiken sind die Farbkombinationen, in denen sie gedruckt wurden. Changierende Blautöne und ein Hauch von Gelb – ein Farbspiel, das an die ukrainischen Nationalfarben erinnert. Ihre Sehnsucht nach Frieden und Freiheit ist das Leitthema ihrer für uns in der Werkstatt von Felix Bauer in Köln entwickelten Lithographien.